Massenverfahren und kollektiver Rechtsschutz – Überblick und Perspektive
Die heutige Geschäftswelt ist geprägt von Massenproduktion, globalen Lieferketten und Digitalisierung, Trends, die sich höchstwahrscheinlich unvermindert fortsetzen werden. Das hieraus entstehende Geflecht aus Geschäftsbeziehungen, Datenflüssen und grenzüberschreitenden Transaktionen erhöht das Geschäftsrisiko erheblich: Ein einziger Fehler, ein bestimmtes Ereignis oder ein konkreter Umstand können weitreichende Folgen und Auswirkungen für eine große Anzahl von Verbrauchern und Kunden haben. Das Phänomen der massenhaften Geltendmachung von Ansprüchen mittels Sammel-, Gruppen- und Musterklagen setzt Unternehmen Risiken in beispiellosem Umfang aus, über sämtliche Sektoren, Rechtsbereiche und Jurisdiktionen hinweg. Beispiele hierfür sind Vorwürfe zu Preisabsprachen, ESG-Themen innerhalb von Lieferketten, Greenwashing sowie der angebliche Missbrauch personenbezogener Daten auf digitalen Plattformen.
Gesetzgeber, Gerichte und sonstige Beteiligte auf dem Rechtsmarkt suchen nach Wegen, um Klägern per Massenverfahren leichter zu ihrem Recht zu verhelfen. Dabei ist der Rechtsmarkt sehr aktiv bei der Entwicklung neuer Methoden zur Bündelung von Forderungen und zur Einleitung von Massenverfahren. Dazu gehören innovative Ansätze beim Marketing und dem Einsammeln von Ansprüchen, die Zwischenschaltung von Rechtsdienstleistern und Prozessfinanzierern und die Nutzung von Legal Tech.
Die verschiedenen Jurisdiktionen experimentieren derzeit mit einer Reihe von Ansätzen für den Umgang mit Massenverfahren und kollektivem Rechtsschutz. In Europa mussten die Mitgliedstaaten bis Juni 2023 Verfahren zum kollektiven Rechtsschutz umsetzen, die bestimmten Mindeststandards genügen. Gleichwohl besteht keine realistische Aussicht auf eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften für Massenverfahren und kollektiven Rechtsschutz. Dies schafft ein vielschichtiges Umfeld und damit Herausforderungen für alle Beteiligten.
Jurisdiktionen könnten darum wetteifern, wer das attraktivste Forum für Massenverfahren bietet. Sogenanntes Forum-Shopping wird die Folge sein. Mögliche Beklagte müssen daher ihre Strategien für eine frühzeitige Erkennung möglicher Massenverfahren analysieren und anpassen, um sich bestmöglich davor zu schützen.
Im aktuellen Umfeld von Massenverfahren und kollektivem Rechtsschutz werden Marktteilnehmer mehr als klassische Rechtsberatung benötigen, um immer den erforderlichen Schritt voraus zu sein. Ein Massenverfahren erfordert umfassende Unterstützung auf verschiedenen Ebenen: internationale Reichweite, um grenzüberschreitende Aspekte zu beleuchten, umfassende Erfahrung in einem breiten Spektrum prozessualer Verfahrensarten sowie Einblicke in Entwicklungen von Recht und Markt, ein tiefes Verständnis für die Dynamiken und Anforderungen an eine kreative, maßgeschneiderte Strategie, Legal Tech-Lösungen, flexibel einsetzbare Ressourcen, Projekt- und Reputationsmanagement, Schadensbewertung und Datenanalyse, und ein Netzwerk von Partnern, das etwaigen sonstigen Beratungsbedarf abdeckt.